Lesezeit 3 Min., aktualisiert am 05.01.2024

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Tipps zur Studien- und Berufswahl

Wer sich für eine Ausbildung oder ein Studium entscheidet, geht eine intensive Verbindung zu seinem Thema ein. Deshalb lohnt sich gute Beratung zur Berufswahl. Unser Experte Jörn Pelzer von der IHK Karlsruhe gibt hierzu wertvolle Tipps.

Es ist im Leben, vorsichtig gesagt, kein idealer Moment, um sich für einen Beruf zu entscheiden: Man hat Prüfungsstress beim Schulabschluss, steckt in den Nachwehen der Pubertät und hat ganz andere Lebensfragen als die, womit man in 40 Jahren sein Geld verdienen soll. Dazu kommt, dass einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge mehr als die Hälfte der Jugendlichen sich von der Vielzahl der Informationen zum Thema Berufswahl überfordert fühlen.

Wie sollte man an die Berufsorientierung herangehen? Ist es sinnvoller, Visionen und Wünsche zu verfolgen oder nach Vernunft vorzugehen?

Jörn Pelzer: „An erster Stelle sollte immer der Anspruch stehen, dass die Arbeit im Beruf Spaß machen soll. Jeder definiert das jedoch anders: Für den einen bedeutet das, eigene Neigungen ausleben zu können, für den anderen Arbeitsplatzsicherheit oder ein gutes Einkommen, für wiederum andere zum Beispiel möglichst viel Verantwortung übernehmen zu können. Ich bin der Meinung, dass man versuchen sollte, seinen Talenten und Interessen nachzugehen – schließlich hat man als Berufseinsteiger/in ja noch ein langes Arbeitsleben vor sich. Vieles wird sich dann ergeben. Karrierechancen eröffnen sich, wenn man mit Leidenschaft bei der Sache ist.“

Das klingt ein bisschen, als wäre die Zukunft dann unausweichlich an den einmal gewählten Beruf geknüpft. Aber Menschen verändern sich.

Jörn Pelzer: „Deshalb ist es auch wichtig, immer im Hinterkopf zu haben, dass die meisten Berufsentscheidungen nicht zwingend bis ans Ende der Berufstätigkeit Gültigkeit haben. Man ist heutzutage in der Regel nicht mehr bis zur Pensionierung in einem Beruf oder Unternehmen beschäftigt. Man wechselt den Beruf, bildet sich fort, entdeckt neue Möglichkeiten. Diese Flexibilität ist andererseits auch eine Anforderung an Berufstätige in der heutigen Arbeitswelt.“

Welche Bedeutung hat der Schulabschluss in diesem Zusammenhang?

Jörn Pelzer: „Das hängt sehr vom Traumberuf ab. Einige Berufe, wie etwa Mediziner/in, Jurist/in oder Lehrkraft, können nur über ein Studium erlernt werden, für das wiederum eine Hochschulzugangsberechtigung nötig ist. Bei der Ausbildung setzen die Unternehmen ihre Mindestvoraussetzungen selbst fest. Im Rahmen einer dualen Ausbildung ist es möglich, das Abitur während der Ausbildung nachzuholen. Außerdem kann durch berufliche Weiterbildungen und Qualifikationen ein akademisches Niveau in Form von Bachelor- und Master-Abschlüssen erreicht werden, zum Beispiel, indem man den Meister oder einen Fachwirt macht. Es ist also eine hohe Durchlässigkeit da. Und ein Tipp in dem Zusammenhang: Unternehmen achten immer mehr auch auf die Persönlichkeit und Motivation der Bewerberinnen und Bewerber. Wenn die Noten oder der Abschluss nicht so gut sind, lohnt sich also eine persönliche Kontaktaufnahme, zum Beispiel bei einer Messe oder Azubi-Speed-Datings.“

Wenn das Kind keine klare Vorstellung oder Vorlieben hat – nach welchen Kriterien kann man geeignete Berufsbilder „einkreisen“?

Jörn Pelzer: „Manche Jugendliche können sich gar nicht gut vorstellen, wie ihr Arbeitsleben mal sein kann, und finden es deshalb schwer, einen Wunschberuf zu benennen. Aber es gibt viele Anknüpfungspunkte zu möglichen Berufen. Die können auch in Hobby und Freizeit zu finden sein, natürlich auch in der Schule. Wenn kein Schulfach Interesse und gute Noten hervorbringt, dann vielleicht eine AG oder eine Projektwoche. Manche haben Vorbilder, denen sie folgen wollen. Für Schülerinnen und Schüler ohne naheliegenden Berufswunsch empfehlen sich auf jeden Fall eine Berufsberatung sowie Praktika in ganz unterschiedlichen Betrieben und Berufen, um Vergleichbarkeiten und Vorlieben abklopfen zu können.“

Was können Eltern tun, die mit der Berufswahl ihres Kindes gar nicht einverstanden sind?

Jörn Pelzer: „Das ist nicht einfach in Familien, vor allem, weil die Eltern ja wichtige Ansprechpartner für die Kinder sind. Die Frage ist immer, ob der Berufswunsch zum Kind passt oder ob er uns als Eltern nicht passt? Wenn Eltern spüren, dass ein Kind sich verrennt oder unrealistische Vorstellungen hat, können sie zweierlei tun: erstens ein passendes Praktikum mit dem Kind suchen, damit es den gewünschten Beruf mal erlebt. Und zweitens kann man eine Liste schreiben, was für und gegen den Beruf spricht. Das hilft manchmal auch dabei, eine gemeinsame Sichtweise zu entwickeln. Wenn Eltern mit dem Berufswunsch des Kindes nichts anfangen können, lautet mein Tipp: Setzen Sie sich intensiv damit auseinander und reflektieren Sie dann, ob es wirklich gute, nachvollziehbare Gründe gegen den Berufswunsch des Kindes gibt. Sie können zum Beispiel auch mit zur Berufsberatung gehen oder sich auf Elternabenden in der Schule oder auf Ausbildungsmessen

Den Überblick verloren?

→ Der Klassiker: das Berufsinformationszentrum bei der Agentur für Arbeit. Hier gibt es nicht nur massig Informationsmaterial, sondern auch Termine für individuelle Beratung und Orientierung.

→ In Karlsruhe bietet die jährlich stattfindende Messe „Einstieg Beruf“ einen entspannten Überblick über mögliche Berufe und Unternehmen in der Region.

→ Wenn bereits eine Grundorientierung vorhanden ist und eine bestimmte Branche oder ein Tätigkeitsbereich interessant sind, können sich Interessierte an Kammern wie die Industrie oder Handelskammer oder an Berufsverbände wenden.

→ Online-Angebote sind beispielsweise:
  • www.berufenet.arbeitsagentur.de
  • www.berufe.tv
  • www.deinezukunftjetzt.de
  • www.ja-zur-ausbildung.de

→ Individuelle Beratungsangebote der Karlsruher Industrie und Handelskammer gibt es unter www.karlsruhe.ihk.de/lehrstellenberatung